
„Senior Skills“ Die Interviews: Sandra Brantner – HR-Leitung bei Mayr-Melnhof Holz Leoben GmbH
Für mein Buch über die Arbeitswelt 50+ durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen, aber auch Menschen, die diese Welt besonders gut kennen, da sie selber davon betroffen sind.
Heute zu Gast ist:
Die HR Leiterin der Mayr-Melnhof Holz Leoben GmbH, Sandra Brantner.
Transkript
Richard:
Herzlich willkommen im Richard-Kaan-Podcast. Mein Ziel ist es, Unternehmen zu inspirieren, sich rechtzeitig mit Beschäftigten jenseits der 50 zu befassen. Ganz besonders, was ihre Fähigkeiten, also die Senior Skills, betrifft. Darüber hinaus möchte ich Menschen motivieren, nie mit dem Aufhören anzufangen, denn die positive Beschäftigung hält sie jung und fit. All das mache ich mit Büchern und Vorträgen auf Bühnen oder aber hier in diesem Podcast.
Richard:
Für
Richard:
Mein Buch über die Arbeitswelt 50 Plus durfte ich eine Reihe von besonderen Persönlichkeiten interviewen. Heute zu Gast ist Sandra Brandtner. Holz ist heute mehr denn je in aller Munde. Als CO2-Speicher, als erneuerbarer Rohstoff und wieder als wunderbarer Baustoff, selbst für Hochhäuser. Eines der Paradeunternehmen in diesem Feld ist die Meier-Mellenhof-Holzholding seit 1850 in Leoben ansässig. Und deren HR-Chefin Sandra Brandner ist heute zu Gast. Ich freue mich. Herzlich willkommen, Frau Brandner, und vielen Dank, dass ich dieses Interview mit Ihnen durchführen darf. Vielen
Sandra Brantner:
Dank für die Einladung.
Richard:
Würden Sie uns bitte kurz erklären, in welcher Firma Sie arbeiten und in welcher Funktion?
Sandra Brantner:
Ja, ich bin seit ziemlich genau 20 Jahren bei Meier-Mellenhof-Holz-Leoben GmbH tätig. Die Meier-Mellenhof-Holz-Holding AG als Ganzes an sich ist ein großes, als Holzunternehmen ist ein großer Player in Europa, was die Produktion von Holz und die Weiterverarbeitung von Holz anbelangt. Und ich darf als Personalverantwortliche für den Konzern dort tätig sein, habe ganz klassisch begonnen in Assistenzpositionen und ist halt dann über die Jahre hin zur Übernahme der Verantwortung der Personalagenten gegangen. Können
Richard:
Sie mir vielleicht ein oder das Highlight Ihrer beruflichen Laufbahn mitteilen? Es
Sandra Brantner:
Gibt viele. Eigentlich war es gleich am Start ein Highlight. Als ich begonnen habe, haben wir unser Sägewerk in Tschechien errichtet, in Baskow, von der grünen Wiese weg. Also ich kann mich noch gut erinnern, dass ich selber sozusagen mit den Gummistiefeln am Gelände gestanden bin und acht Monate später ein modernes Sägewerk dort gestanden ist und ich auch schon die schöne Aufgabe mitbegleiten durfte, es auch mit Leben zu füllen, sprich mit Mitarbeitern. Und habe damals dadurch schon die Chance bekommen, wirklich von der Pike auf, ich habe BWL studiert, aber halt sozusagen den Einblick in die Technik, zu bekommen. Das ist bis heute etwas, was mich begleitet. In der Weiterverarbeitung und in den Weiterverarbeitungswerken hatte ich nicht mehr so sehr die Chance, weil ich schon operativ recht eingebunden bin und deshalb denke ich, da sind wir sehr gern zurück, dass ich da sehr tief drinnen war. Ja, es gab dann viele Stationen.
Sandra Brantner:
Ich möchte sogar sagen, das klingt jetzt komisch, aber auch fast ein Highlight etwas ist, weil man es in der Personalverantwortung sowas auch lernen darf und muss, sind sogar bis hin zu Werksschließungen, bis hin zu Sanierungsverfahren, also wirklich alle Seiten. Kann man das
Richard:
Als Highlight bezeichnen?
Sandra Brantner:
Ja, es klingt jetzt… Ich meine, wenn man sagt Highlight, aber ich sage einmal in dem Sinn, dass man viel lernen durfte dabei und auch viel im Umgang mit Menschen dabei lernen durfte, ja. Weitere Highlights, Entwicklung bis hin zu einem… Ich fürchte, ich muss unterbrechen. …dem Monopäischen Konzern.
Richard:
Gerne. Eins wird mir langen. Wie viele Mitarbeiter haben Sie in Ihrem Unternehmen? Wir
Sandra Brantner:
Sind momentan im Konzern insgesamt an die 1600 Mitarbeiter.
Richard:
Erwarten Sie in der nächsten Zeit maßgebliche Änderungen des Personalstandes?
Sandra Brantner:
Maßgeblich würde ich sagen, nicht. Nein, Veränderungen in Richtung… Was Qualifikationen anbelangt, neue Qualifikationen, andere Qualifikationen, als sie in der Vergangenheit nötig waren, da ja. Aber einen sozusagen großen Schwung mit Aufnahmen, jetzt nicht exorbitant. Ja, wird es was geben, auch wenn wir, und wir sind ein Unternehmen, wo es unterwegs ist am Markt und auch Unternehmen auch kauft, wenn sie zu uns passen, dann wird es natürlich wieder einen größeren Schwung geben.
Richard:
Was halten Sie vom Senioritätsprinzip?
Sandra Brantner:
Gar nichts.
Richard:
Kurze, knackige Antwort. Meinen Sie, dass Beschäftigte überall… 50 oft zu teuer werden für Unternehmen?
Sandra Brantner:
Nein, das muss man vorher regeln und steuern.
Richard:
Kraft des Senioritätsprinzips können Sie es aber nicht immer.
Sandra Brantner:
Doch, schon. Senioritätsprinzip, ich als Personalist verstehe darunter einfach die zweijährigen Biennalsprünge. Das ist rein einmal nur auf das bezogen, wo ich sage, dadurch kriege ich eine, nur weil ich länger im Unternehmen bin, kriege ich eine automatische Vorwirkung. Ich ersetze mir mehr Einkommen. Jetzt muss man dazu sagen, wir haben den Kollektivvertrag Säge und Holzindustrie, der ist jetzt nicht überexorbitant. Auch diese Sprünge sind nicht massiv hoch. Und wenn jemand gut qualifiziert ist, dann braucht er auch diesen Sprung nicht in Wahrheit, sondern kriegt sowieso andere Erhöhungen. Gibt
Richard:
Es bei Ihnen vielleicht die Möglichkeit, dass ältere MitarbeiterInnen in die zweite Reihe zurücktreten und sagen, ich will keine Verantwortung mehr haben, ich will aber noch weiter tun, bin aber vielleicht auch bereit, auf einen Teil meines Gehaltes dafür zu verzichten?
Sandra Brantner:
Ich sage ganz offen, die Möglichkeit würde es sicherlich geben. Ich muss aber sagen, dass das noch nie vorgekommen ist. Und vielleicht wird es in der Zukunft schon durchaus mehr werden, dass die Leute das schon auch so sehen. In
Richard:
Skandinavien ist es schon sehr häufig.
Sandra Brantner:
Bei uns in der Praxis hatte ich es tatsächlich noch nicht, dass ein Mitarbeiter wirklich offensichtlich, dass auch sich selbst das irgendwie ganz offen eingestehen wollte.
Richard:
Das ist ein guter Punkt, glaube ich. Gehen wir gleich zu den Beschäftigten 50 plus. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach MitarbeiterInnen über 50 in Betrieben?
Sandra Brantner:
Jetzt muss ich sagen, nachdem ich bald selber da betroffen bin, muss ich sagen, wahnsinnig wichtig.
Richard:
Okay, tun wir mal davon absehen.
Sandra Brantner:
Ja, absolut. Es ist so schwierig zu sagen, es ist ja nicht auf das Alter zu begrenzen. Es ist die Aufgabe, die jemand halt auch ausfüllt. Und wenn das jetzt jemand ist, der dort 50 plus ist, dann ist das wahnsinnig wichtig.
Richard:
Was haben die speziellen Potenziale, die Älteren?
Sandra Brantner:
Erfahrung. Ganz viel praktische Erfahrung. Ganz viel auch. Die sind schon lange in, muss ja nicht jetzt durchgehend in diesem einen Unternehmen sein, vielleicht auch in anderen. Das heißt, sie haben vielleicht auch Unternehmenswechsel hinter sich, haben andere Perspektive, haben gesehen, wie es woanders funktioniert hat, können sagen, das war gescheit oder war nicht gescheit. Also bringen. Da bringen einfach viel praktische Erfahrungen
Richard:
Mit. Werden eventuelle Bedürfnisse Älterer bei Ihnen explizit abgefragt?
Sandra Brantner:
Sage ich ganz offen, ich würde sagen, nicht explizit aus heutiger Sicht.
Richard:
Hätte das nicht vielleicht den Vorteil, dass man hier ein altersgerechtes Arbeiten quasi einschleifen könnte?
Sandra Brantner:
Jedenfalls, das ist richtig. Ich sage jetzt einmal, die Bedürfnisse werden im Endeffekt ja schon abgefragt, egal welches Bewerbungsgespräch das ist. Und wenn das jetzt jemand mit 45 plus oder 50 plus ist oder 25 plus, das habe ich da insgesamt schon im Boden. Dass man jetzt aber explizit dann schon in die Richtung geht und eigentlich müsste man dann hernehmen, bestehende Mitarbeiter, die in der Kategorie sind und die müsste man sich herfischen. Was wir machen, das muss ich jetzt unbedingt gleich erwähnen, wir machen immer Newcomer-Interviews bei uns in der Firma, um zu schauen, wie ist es gelaufen und wie rennt das Onboarding. Und wir machen aber auch sozusagen einmal im Jahr immer so einen Austausch mit den langjährigen Mitarbeitern, die dann meistens auch schon ein gewisses Alter mitbringen und da holen wir uns auch das
Richard:
Feedback. Was machen Sie mit diesem Feedback?
Sandra Brantner:
Wir mischen das auch untereinander und wir haben da schon einiges umgesetzt, was wir da an Feedback mitgenommen haben. Und jetzt, wie gesagt, kommen wir in die Phase, wo wir sagen, jetzt setzen wir die Senioren sozusagen mit den Newcomern auch zusammen.
Richard:
Wunderbar. Nehmen Sie Bewerberinnen im Alter von mehr als 50 überhaupt auf? Ja,
Sandra Brantner:
Klar. In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist das eigentlich auch gar keine Frage.
Richard:
Sehen Sie darin einen Vorteil oder einen Nachteil? Einen
Sandra Brantner:
Vorteil, weil den Leuten bewusst wird, dass man nicht nur aufs Alter im Lebenslauf schaut, sondern auch andere Dinge wichtig
Richard:
Sind. Dann wechseln wir gleich mal die Positionen. Versuchen wir uns jetzt in die Position der Betroffenen zu setzen. Was meinen Sie, was wäre aus Sicht der ArbeitnehmerInnen 50 plus besonders wichtige Faktoren für ein zufriedenes und effizientes Mitarbeiten in einem Unternehmen?
Sandra Brantner:
Genau das, über das wir jetzt gerade vorher geredet haben, dass man abfragt, was sind die Bedürfnisse? Weil ich sage einmal, bei 50 plus habe ich vielleicht, und das ist ja vielleicht sogar der Vorteil für das Unternehmen, nicht mehr so das Bedürfnis, ich brauche enorm viel Freizeit, für meine Work-Life-Balance, weil die Kinder sind in einem gewissen Bereich so draußen, dass sie selbstständig genug sind. Das heißt, sie sind wahrscheinlich flexibler einsetzbar und das kann man ja durchaus genau von den Mitarbeitern so abholen. Und das muss man erfragen. Da muss man sich wirklich hinsetzen und sagen, was sind die Bedürfnisse jetzt genau bei 50 plus?
Richard:
Und glauben Sie, dass die MitarbeiterInnen 50 plus bei Ihnen entsprechend Ihres Alters eingesetzt werden, aus deren Sicht?
Sandra Brantner:
Nein, traue ich mich ganz offen zu sagen, ich glaube, aus deren Sicht vermutlich nicht. Warum
Richard:
Nicht?
Sandra Brantner:
Jetzt komme ich wieder auf das Retour, dass wir natürlich zu einem großen Part, auch zwei Drittel in dem Bereich, in einem Produktionsunternehmen sind. Ja, und da sicherlich Themen wie schwere körperliche Arbeit, Lärmtechnisch, Belastend etc, dass da das individuelle Gefühl, dass ich richtig eingesetzt bin für mein Alter, wahrscheinlich nicht vorhanden ist. Jetzt
Richard:
Gehen wir zu den noch Älteren, 60, 65. Wie wichtig sind oder wären für Sie Beschäftigte kurz vor oder schon in der Pension?
Sandra Brantner:
Für eben so Themen, wir haben es vorher kurz besprochen und wir haben das auch, wo wir extremes, spezielles Fach-Know-how brauchen. Da sind die besonders wichtig und haben wir sie Gott sei Dank auch teilweise noch im Einsatz. Nicht jetzt natürlich in einem Vollzeitausmaß, sondern eben aushilfsweise. Das heißt für fachliche Expertise und auch eben für Begleitung von neuen Mitarbeitern. Da ist es sicher ein Riesenthema.
Richard:
Werden die Bedürfnisse dieser Kohorte, heißt das glaube ich im Fachausdruck, älteren Mitarbeiter abgefragt?
Sandra Brantner:
Jetzt nicht im großen Stil. Das ist ein individuelles Thema. Das ist eben genau auf, da kann ich eben sozusagen unsere Beispiele benennen, weil es ja konkret, da war das immer schon ein gegenseitiger Austausch und wo man im Vorfeld schon gefragt hat, vielleicht zwei, drei Jahre vorher, du, wenn wir die nachher noch brauchen, wie würde das für dich ausschauen? Wie könntest du das, wäre das möglich? Würdest du überhaupt zur Verfügung stehen? Wäre das auch, und das gehört auch glaube ich dazu, ist das auch für deinen Lebenspartner, in Ordnung, das gehört auch mit dazu.
Richard:
Ganz wichtig.
Sandra Brantner:
Also ich glaube, da muss man eben auch im Vorfeld das schon abfragen und kommt aber meist beidseitig. Es gibt oft das, wo ich sage, im Unternehmen, wo man schon sieht, halt, wenn ich den verliere, das ist schwierig. Also da muss ich vorher schon überlegen, wie fange ich dieses fachliche Know-how, den Verlust, diesen Know-how-Verlust ab, wie macht man das? Und jetzt auch, wir haben auch schon viele, jetzt momentan Beispiele, wo wir eben sozusagen Junge oder Jüngere, so muss man sagen, reinholen ins Unternehmen, die dann von den Mitarbeitern sicherlich noch ein, zwei Jahre begleitet werden und auf die Aufgabe und Position vorbereitet werden und die gleiten dann aus. Also das haben wir auch schon. Was
Richard:
Halten Sie von der Idee, älteren Mitarbeiterinnen, die in Pension sind, schon nach sechs Monaten, neun Monaten oder Jahr, noch einmal einen Antrag zu machen, sagen, magst nicht noch einmal arbeiten, magst nicht noch mittun, weil dann hat sich ja möglicherweise deren Erwartungshaltung der Pension anders dargestellt.
Sandra Brantner:
Das muss ich offen sagen, hat sich bei uns im Unternehmen, im Unternehmen so noch nicht ergeben, wird vielleicht in der Zukunft eben, wo wir jetzt mit Arbeitskräftemangel viel zu tun haben, durchaus, also eine sehr spannende Idee. Bis dato ist eher die Richtung eben eine andere gewesen. Man hat schon zwei, drei Jahre vorher geschaut, so wo läuft mir jemand aus und wo muss ich nachbauen? Das heißt, die Frage hat sich so noch nicht gestellt in der Praxis. Aber
Richard:
Unsere Arbeitswelt ändert sich
Sandra Brantner:
Dramatisch. Aber kann definitiv eine interessante Frage werden, weil es sich eben dramatisch ändert, ja. Also ich
Richard:
Kann Ihnen sagen, aus meinen Befragungen rundherum ist das ein ganz großes Thema, und zwar, du kannst normalerweise die Leute, die jetzt in Pension gehen, nicht ansprechen. Aber wenn einem die Decke am Kopf fällt,
Sandra Brantner:
Dann
Richard:
Heißt es plötzlich anders, oh, ich würde das wieder gerne. Ich
Sandra Brantner:
Meine, das Wichtige, was da passieren muss, und das ist halt etwas, das jetzt wahrscheinlich nicht auf meiner Ebene des Jobs passiert, oder auch nicht auf Vorgesetzten- oder Vorstands- oder Geschäftsführer-Positionsebene, aber da ist eben der Kontakt mit der Mannschaft und mit auch den Aktiven, der ja meist auch lange erhalten bleibt, ganz, ganz wichtig. Dass da dann sozusagen vielleicht auch transportiert wird, tut, der war mal da und hat noch mal vorbeigeschaut, und der hat irgendwie gesagt, wenn wir ihn brauchen, sollte man auch rufen. Und das Feedback muss dann zu uns, und das ist dann schon ganz wichtig.
Richard:
Genau darüber halte ich auch Vorträge, um die Leute zu animieren, darüber nachzudenken, wie es in Zukunft ausschaut. Was meinen Sie, wird die Regelpension von Pensionisten mit Abgaben und Steuern versehen, oder wie hoch sind die?
Sandra Brantner:
Das ist jetzt ganz peinlich, dass Sie mir die Frage stellen, das sieht ja ad hoc aus, wenn ich das nicht weiß.
Richard:
Ungefähr. Nehmen wir ein Beispiel. Jemand verdient geringfügig dazu und hat 2.000 Euro Pension und verdient 500 Euro dazu. Wie viel davon muss er oder sie abführen?
Sandra Brantner:
Unsere Rechnung in der Personalverrechnung ist immer, die Hälfte geht ans Finanzministerium, so in der Richtung.
Richard:
Ja, aber geringfügig sind ja keine Abgaben drauf. So ist
Sandra Brantner:
Es, Tobi, nur die Unfallversicherung.
Richard:
Leider nein, leider nein. Ungefähr 36 Prozent des Zuverdienstes muss man abführen. Und wenn Sie 1.000 Euro zur Pension dazu verdienen, sind
Sandra Brantner:
Aber die Hälfte. Deswegen sage ich, deswegen bleibt die Hälfte übrig. Genau.
Richard:
So. Nehmen wir jetzt wieder die Position in die Rolle der Pensionistinnen. Glauben Sie, dass im Pensionbefindlichen ganz allgemein noch überhaupt in irgendeiner Funktion, in irgendeinem Modell weiterarbeiten würden wollen?
Sandra Brantner:
Wenn Sie wollen, ja.
Richard:
Wenn würden Sie wollen. Glauben Sie da, nehmen wir die Masse von 100 Prozent, würden 10 Prozent davon wieder arbeiten wollen oder 0 oder mehr? Also 10
Sandra Brantner:
Prozent mit Sicherheit.
Richard:
Also Untersuchungen zeigen ca. 35 Prozent würden arbeiten wollen.
Sandra Brantner:
Wollen oder? Wir schließen das nicht, weil Sie müssen aus, sondern wirklich, weil Sie wollen, weil es Ihnen Spaß machen wird. Genau das. In irgendeiner Form. Nicht
Richard:
Gleich, meistens ein bisschen später.
Sandra Brantner:
Ja, verstehe.
Richard:
Was glauben Sie, ist aus deren Sicht, sind die wichtigen Faktoren, dass Sie bei Ihrem Ausscheiden wieder oder weiter arbeiten würden wollen?
Sandra Brantner:
Wertschätzung.
Richard:
Sichtbarkeit.
Sandra Brantner:
Gegenseitiger Respekt, Sichtbarkeit, Wertschätzung. Ich glaube, das ist das Allerwichtigste.
Richard:
Und was glauben Sie, ist das größte Hindernis, dass Sie dann wieder arbeiten? Der
Sandra Brantner:
Finanzminister.
Richard:
Genau das.
Sandra Brantner:
Genau.
Richard:
Genau das. Also wenn man mal 60, 65 Prozent der Abgaben zahlt. Tut Ihr Unternehmen jetzt aus der Sicht wiederum der in Pension befindlichen genug, um Ihnen ein Angebot zu machen und Sie versuchen weiter zu beschäftigen?
Sandra Brantner:
Vermutlich leider nicht.
Richard:
Darum kann man arbeiten.
Sandra Brantner:
Das ist richtig. Das ist das
Richard:
Potenzial. Neuer Arbeitsmarkt im Umbruch. Stichwort Change. Sinnwandel, Wertewandel, flexible Arbeitsgestaltung, Homeoffice wird in der Säge schwer gehen, aber Digitalisierung, Cowork et cetera, was halten Sie von der Vier-Tage-Woche?
Sandra Brantner:
Persönlich oder beruflich?
Richard:
Beruflich bitte.
Sandra Brantner:
Ich sage jetzt einmal so, Sie schicken das Interview nicht meinem Chef. Nein, es ist möglich. Ja, es ist wahrscheinlich in die Zukunft gesehen sogar gescheit.
Richard:
Wahrscheinlich auch nicht verhinderbar.
Sandra Brantner:
Auch nicht verhinderbar. Wir haben… Und auch wir persönlich für alle Bereiche ganz offen noch nicht so die Ideen, wie es gehen würde. Also im Büro ist es einfach gestaltbar. Das ist jetzt nicht das Thema. Es wirft verschiedene Dinge auf. Jetzt haben wir auf der einen Seite diesen Arbeitskräftemangel, wenn ich jetzt auf vier Tage reduziere, aber ich aus sozusagen, ob es jetzt in Produktion ist oder auch im bürobegleitenden Alltag, aber das mehr brauche. Das heißt, ich brauche eigentlich mehr Leute, um das durchgehend zu besetzen. Jetzt habe ich aber das Problem, dass ich einen Mangel habe. Jetzt sind wir aber wieder bei 50 und 60 plus. Also kann man mich mal vielleicht da behelfen. Es ist sicher machbar. Gewisse gesetzliche Rahmenbedingungen müssen sich dazu auch noch ändern in Richtung Höchstarbeitszeiten etc. Und zwar in allen… Haben wir ja schon.
Richard:
Haben wir ja mit zehn Stunden…
Sandra Brantner:
Nein, nicht vertiefen. Ich habe einen Kollegen, den kollektivverträgen. Und wir haben durchaus auch schon mal kreativ gesponnen, wo wir gesagt haben, wie könnte man das in der Produktion mit Schichtmodellen umsetzen. Es ist nicht unmöglich. Es ist nicht einfach. Und es bedarf sicher ganz viel Kreativität. Aber es ist, wie gesagt… Es ist, wie gesagt, nicht unmöglich. Es ist sicher machbar.
Richard:
Wie ist das mit dem Lohnausgleich? Bitte, Sie sprechen jetzt als HR-Larin, bitte nicht als Mitarbeiterin.
Sandra Brantner:
Aus heutiger Sicht sage ich natürlich ohne Lohnausgleich. Wir machen das ja auch schon. Ich habe schon Mitarbeiter, die von Haus aus kommen und sagen, ich möchte nur vier Tage arbeiten. Dann ist das eine ganz normale Berechnung auf die Stunden im Endeffekt. Heute, aus heutiger Sicht, machen wir es nicht mit Lohnausgleich. Wenn man jetzt in die Geschichte retour geht, nicht immer haben wir 40-Stunden-Regelungen gehabt. Nicht immer haben wir 38,5-Stunden-Regelungen gehabt. Da hat es auch viele Veränderungen gegeben und wir haben sie auch überlebt. Es ist gegangen.
Richard:
Was halten Sie generell von der immer lauteren Forderung nach Respekt und Arbeitskultur auf Augenhöhe und Empathie und mein Wohlbefinden ist im Mittelpunkt? Was halten Sie davon?
Sandra Brantner:
Aus der beruflichen Praxis sage ich ganz offen, dass diese reine Bedürfnisorientierung etwas schwierig ist. Es ist wichtig, auf die Bedürfnisse des Mitarbeiters einzugehen. Ja, da bin ich fast in der Rolle eines, man kann schon fast sagen, Gewerkschaftlers, weil ich immer sage, wir betreuen… Wir wollen aber ein Kollektiv an Personen. Ich kann ja nicht immer jede einzelne, bei 1600 Mitarbeitern, kann jeder individuell und der darf das und der macht das und ich habe dort ein Modell. Da muss man ganz offen sagen, ein gewisses Regelwerk muss es geben und da darf und muss halt einfach auch ein Mitarbeiter entscheiden, will ich mich dem unterwerfen oder nicht oder will ich etwas anderes machen. Aber so komplett dieses wirklich… Und das hat das… …unternehmen und du mir als Arbeitgeber heute unbedingt zu bieten, weil das ist es, das ist schwer auch für den Arbeitgeber umsetzbar. Das muss man ganz
Richard:
Offen sagen. Allerdings werden Sie immer schwerer Arbeitskräfte bekommen.
Sandra Brantner:
Das ist definitiv so. Weil
Richard:
Diese Forderung wird natürlich vehement vertreten. Was muss überhaupt heute ein Arbeitgeber Arbeitssuchenden bieten?
Sandra Brantner:
Da ich auch viel im Recruiting selber noch drinnen bin. Erstens einmal, ich glaube, es ist schon ganz, ganz wichtig, dass die Aufgabe an sich einmal eine spannende ist oder die Tätigkeit. Und ganz wichtig… Das ist etwas, was ich allen predige, die bei uns im Unternehmen sind und da ins Recruiting gehen. Es ist ganz, ganz wichtig, den Sinn der Aufgabe zu vermitteln. Und das ist nicht nur in einem Unternehmen, das ist überhaupt im Leben wahrscheinlich so. Wenn ich verstanden habe, worum es geht, dann macht es mir meistens ehrlich gesagt auch mehr Spaß, das zu tun. Oder man
Richard:
Nimmt auch Dinge auf sich. Ja, genau. Das ist halt der Nachteil.
Sandra Brantner:
Aber… Man geht dann vielleicht auch die Extrameile mit, die halt ab und zu auch mal notwendig ist. Also der Sinn ist, glaube ich, ganz, ganz wichtig und was wir einfach als Arbeitgeber heute sein müssen. Und das ist einfach so. Erstens Wertschätzung und nicht nur gespielt, sondern echt. Und einfach die Diversität der Leute und der Bewerber, das einfach auch gut kombinieren können fürs Unternehmen. Und schnell sein. Wenn da jemand da ist, der sagt, das würde mich interessieren, muss man schon in der Sekunde den Sinn vermittelt haben und der muss sagen, M, M ist das Nonplusultra und da will ich hin.
Richard:
Glauben Sie, dass die Situation jetzt zwischen den Jungen, die hereinkommen und hohe Forderungen anstellen und den Älteren, die da sind. Diese Forderungen nicht erfüllt sehen, dass das ein Spannungsfeld wird? Und wie werden Sie damit umgehen? Im
Sandra Brantner:
Grunde genommen ist es schon ein Spannungsfeld. Und meine Aufgabe eigentlich, muss man auch sagen, als Personalist, ist ja genau in der Mitte da, einen möglichst guten Ausgleich zu finden. Man muss irgendwann einmal bei einem Jungen sagen, der vielleicht noch so spannend wäre, aber der horrende Forderungen hat. Und ich kenne ja das ganze System innerhalb des Unternehmens. Da muss man irgendwann einmal sagen, das geht nicht. Weil das eben in Richtung der bestehenden Mitarbeiter nicht passt und weil man einfach… Ich weiß, wenn man das macht, hat man ein Riesenproblem. Ist
Richard:
Das erfahrungsgemäß? Jetzt sind Sie doch lange dabei. Ich kann mir auch vorstellen, dass Sie mit sehr großer Empathie diese Dinge behandeln. Was passiert dann mit den Menschen, denen Sie dann Nein sagen? So weit geht es leider nicht. Was passiert dann?
Sandra Brantner:
Also ich sage Ihnen ganz ehrlich, wenn das der Fall war, dann habe ich das eigentlich nie negativ oder sonst wie empfunden, weil ich sage das ganz
Richard:
Offen. Was passiert mit den Menschen?
Sandra Brantner:
Gehen
Richard:
Die dann? Bleiben sie? Gehen sie einen Schritt zurück?
Sandra Brantner:
Also wir haben Bewerber gehabt, die gesagt haben, okay, ist für mich in Ordnung, dann starten wir mal so und schauen wir, wie wir uns gegenseitig entwickeln. Das ist auch ein Thema. Und es gibt natürlich welche, die sagen, na okay, dann nehme ich ein anderes Angebot, weil dort schaut es besser aus. Es gibt aber auch sehr viele, die dann ein halbes Jahr später anrufen und sagen, das war doch nicht so klasse, wie schaut es denn da aus? Also auch das gibt es. Ich glaube, es ist aber wichtig, es ist einfach wichtig, wenn man das sachlich und offen, so wie es ist, kommuniziert. Wenn ich sage, über die Grenze kann ich nicht gehen und ich sage Ihnen das ganz offen, dann muss ich eben sozusagen das Risiko eingehen, dass der oder diejenige sagt, ist das nicht für mich? Und das Gegenüber muss auch für sich einfach überlegen, will ich es doch oder nicht?
Richard:
Das führt mich zu der Frage, Sie haben zwei Bewerberinnen. Sagen wir mal, Sie sind gleich gut qualifiziert. Sagen wir. Der oder die eine ist 35 oder der andere ist 55. Wen stellen Sie ein?
Sandra Brantner:
Jetzt sage ich ganz eine furchtbar politisch ausweichende Antwort. Es kommt auf die Aufgabe drauf an. Weil wenn ich nämlich wirklich was mit viel Erfahrung habe, dann werde ich mich mit meinen Geschäftsführern unterhalten und dann werden wir wahrscheinlich sagen, das wäre sinnvoll, aber der hat das und das schon dreimal gemacht. Wenn wir in der Abteilung, wo ich da jemanden brauche, ganz ehrlich, aber schon drei, 50, 55, 56 oder wie auch immer habe, dann wäre ich höchstwahrscheinlich auf das Jüngere zurückgreifen und sage, ich muss einen Nachbar schaffen. Also da gibt es ganz viele Gründe, die man rundherum im Kreis betrachten muss, dass man zu einer Entscheidung kommt.
Richard:
Die Engländer haben das so schön, oder die Amerikaner. It depends. Yes,
Sandra Brantner:
It is. It depends.
Richard:
Habe ich irgendwas vergessen? Ich habe versucht, das Thema rundherum zu beleuchten. Irgendetwas, was Sie dem noch hinzufügen wollten?
Sandra Brantner:
Ich kann einfach nur sagen, wir erleben das natürlich jetzt sehr, sehr stark, auch seit 2020 mit Corona. Natürlich hat es das Vakuum am Arbeitsmarkt noch mehr verschärft. Es ist nicht so, dass alle Jungen nichts tun wollen. Das möchte ich einmal festhalten. Das ist nicht so. Natürlich verfällt man oftmals mit, was ist mit dir alle? Ich bin jetzt, wie gesagt, selber so, weil man denkt, na ja, vor 20, 30 Jahren. Das hat eigentlich so keiner gefragt. Aber ich denke mal, es hat ja auch seine Berechtigung. Und warum nicht? Ich denke einfach, dass man sich der Diskussion ganz offen stellen muss. Und wenn man als Unternehmen sagt, ein Unternehmen steht ja auch für Werte oder hat halt einen gewissen Charakter an sich. Und wenn ich sage, das passt leider nicht zu uns, dann geht es eh nicht. Ja, wurscht in welche Richtung. Aber ich will auch sozusagen ein bisschen die Brücke schlagen.
Sandra Brantner:
Ich sage, nicht alle Jungen wollen nichts tun oder haben nur Work-Life-Balance im Kopf. Andererseits muss man eben sagen, bei jenen, die halt in diesem Alter, jetzt waren und sagen, denken sich vielleicht heute auch, ich hätte vielleicht einmal ein bisschen mehr Zeit für meine Familie mal nehmen sollen. Also das glaube ich ja durchaus. Und deswegen denke ich mir, diese beiden Welten, also ich bin immer so der Fan von, die Wahrheit liegt in der Mitte. Da muss aus beiden Welten irgendwie versuchen, das Beste rauszuholen. Ich glaube, das wird halt die Zukunft sein. Aber das ist eine schwierige Herausforderung.
Richard:
Ich danke Ihnen für das sehr informative Interview. Habt viel gelernt dabei. Danke vielmals.
Sandra Brantner:
Danke sehr.
Richard:
Danke fürs Reinhören in meinem Podcast. Mehr Informationen gibt es auf meiner Webpage richardkaan.com. Bis zum nächsten Mal.